Kolumbien Süd, von Ibarra nach Salento
Eigene Erfahrungen:
Kolumbien war bis dato das Land, von dem wir am wenigsten wußten, das Land, das das schlechteste Image auf dem Kontinent hat (abgesehen von Venezuela). Die Reisenden, die von Norden kamen, Kolumbien durchquert hatten, erzählten mir seit Monaten, wie toll das Land doch sei.
Bisher war ich positiv überrascht. Von Natur und Sehenswürdigkeiten sehr abwechslungsreich, wenn auch nicht ganz an die spektakulären Landschaften des Südens herranreichend, begeistert hier vor allem eines: die Menschen. Die Menschen in Kolumbien sind sehr offen, freundlich, wissbegierig, und hilfsbereit. Ich habe bis dato nur positive Erfahrungen gemacht, ausgenommen einiger Polizisten oder Soldaten, die gerne ein kleines Trinkgeld gehabt hätten. Man fragt nach dem Weg, jemand geht mit und begleitet einen. Einmal fuhr ich durch eine Stadt, ein Straßenverkäufer (die bekanntlich ja nicht im Geld schwimmen) entdeckt mein Fahrzeug an der roten Ampel, kommt her, heißt mich herzlich willkommen in Kolumbien und schenkt mir und Alexa jeweils ein Eis. Viele solcher kleinen Gesten, die begeistern.
Natürlich hat das Land noch immer Schattenseiten, Kriminalität in Großstädten, unsichere Rebellengebiete etc. Man muss halt ein bisschen fragen, was und wo, die Einheimischen kennen sich aus und wissen, wo man besser nicht hinfährt. Gewisse Stadtteile meidet, speziell in der Nacht. Im Bus oder Gedränge ein bisschen auf die Kleinkriminellen aufpasst.
Wenn man sich an diese Kleinigkeiten hält, ist Kolumbien nicht unsicherer als die anderen Länder.
Ich kann bis Dato Kolumbien jedem Südamerikareisenden wärmstens empfehlen.
Probleme:
2 Mal korrupte Polizisten bzw. Militär. Ein paar kranke Tage mit einer Ohrenentzündung und Durchfall durch kontaminiertes Essen.
Der Landy verliert Öl am Motor. Leck am Ölfilter-Anschlußblock. Ausfall des Viscolüfters.
Kein Problem, passt aber in diese Rubrik, ist der Verkehr. an einigen Passstraßen und Ortsdurchfahrten ist der Verkehr extrem stark, so wie die Kolumbianer überholen, glauben sich schätz ich, an ein besseres nächstes Leben, ansonsten würden sie es nicht so offensichtlich drauf anlegen. überholt wird überall, unübersichtliche Kurven interessieren niemanden, die Mopedfahrer kommen von allen Seiten. Deshalb, Aufpassen, konzentriert fahren und den Blick immer in den Rückspiegeln haben.
Reiseroute:
Ibarra Otavalo - Vulcan Cayambe -Quito Aeropuerto - Ibarra - Tulcan - Grenze Kolumbien - Ipiales - Las Lajas - Laguna de Cocha - Pasto - Chachagui - Popayan - San Jose de Isnos - San Augustin - Pitalito - Neiva - Desierto de Tatacoa - Neiva - Guamo - Ibague - Linea 5 - Armenia - Salento
Reisezeitraum:
3. September - 28. September 2015
Reisebericht:
Ich bekam im September Besuch einer Freundin aus Deutschland und gleichzeitig sollte ein Treffen mit meinen Freunden Bea und Helmut (www.timetoride.de), die mit Ihren Motorrädern aus Peru kommen, stattfinden. Gemeinsam wollten wir uns dann aufmachen um Kolumbien zu bereisen.
Einstweilen musste ich meine Zeit hier in Ibarra aber noch bei Hans und Patricia rumbringen, was gar nicht schwer fiel. Jeden Tag kamen neue Reisende an, Geschichten und Erfahrungen mussten ausgetauscht werden. Dazu kam das Glück, auch über ein Wochenende hier sein zu können, um Patricias leckere Kuchen, Torten und Gerichte zu verkosten. Die Beiden sind perfekte Gastgeber und so fühlten wir uns Sau-wohl. Nebenbei standen noch ein Besuch des Stadtzentrums auf dem Programm und einige Bastelleien am Landy. Abends lud Hans zum Grillabend, den wir ausgiebig zelebrierten und bei einigen Bier über Dies und Jenes sprachen. Toni und Betty aus Australien, die ich vor 2 Jahren schon in Patagonien getroffen hatte, waren hier, mit Michael, Marissa und ihre bezaubernde Tochter Keyra waren weitere Australier am Tisch, Gerald und Asley aus Holland, John aus USA und Günther und Sissi, Deutschland und Österreich. Ja, endlich wieder mal jemand aus der Heimat.
Mit Günter und Sissi machte ich mich am Sonntag auf, per Bus den Sonntagsmarkt in Otavalo zu besuchen. Obwohl der Markt mittlerweile Touristen schwarmweise anzieht, eignet sich der Markt nach wie vor ideal zum Beobachten der Einheimischen, die fast ausnahmslos in traditionellen Gewändern umherlaufen. Kleine Snacks von einer Art Blutwurstgröstl bis zur ganzen gebratenen Sau warten auf jeder Ecke auf den Verzehr. An der Plaza konnten wir noch einer Hochzeit beiwohnen und dem Brautpaar beim Tanz zusehen. Die einheimischen Männer tragen hier ihre Haare fast ausnahmslos sehr lang, immer kunstvoll zu Zöpfen geflochten. Prächtiger Ausflug. Der Gemüsemarkt ist auch einen Besuch wert, hier sind auch viel weniger Touristen zu sehen. Als Wegzehrung zur Rückfahrt kaufen wir noch ein Brötchen, das mit einer Art Zwetschgenragout und Käse gefüllt war.
Die Tage in der Finca Sommerwind eilten gerade so dahin, die Zeit war gekommen um Richtung Quito aufzubrechen, um Alexa am Flughafen abzuholen. Ich fuhr einen Tag früher los, traumhaftes, wolkenloses Wetter bahnte sich an, ich wollte vor dem Flughafen noch einen Abstecher auf den Vulkan Cayambe unternehmen. Meist versteckt sich der Gipfel hinter dichten Wolken, heute präsentiert er sich in bestem Sonnenlicht, tiefblauer Himmel bildet den Hintergrund. Die letzten Kilometer hinauf zum Parkplatz auf knapp 4700 Meter verlangten dem Landy einiges ab, der oberste Kilometer war nur noch mit Untersetzung zu schaffen. Auf diesem Stück trennte sich die Spreu vom Weizen, die meisten der Besucher, die das heutige Traumwetter für einen Besuch ausnutzten, parkten viel weiter unten und gingen zu Fuß. Gott gab mir deshalb einen guten Allrad um eben das nicht tun zu müssen.
Vom Parkplatz aus bis zum spektakulären Gletscher blieb mir aber doch nichts anderes übrig, meine Expeditions-Birkenstock gaben mir Halt bis ins ewige Eis. Es war später Nachmittag bis ich schließlich den Camping-geeigneten Parkplatz in der Nähe des Airports erreichte, 5 Minuten hinter mir trudelten dann auch schon Bea und Helmut ein. Sie waren trotzdem zweiter. Wir hatten um ein Bier gewettet, wer früher ankommt. Das gewonnene Bier ließ ich mir schmecken. Große Wiedersehensfreude nach so langer Zeit.
Gemeinsam holten wir Alexa am Flughafen an, unser aller Nervosität der letzten Tage legte sich, als Alexa all unsere Ersatzteile ohne Zollkontrolle aus dem Flughafen fuhr.
Wir starteten zurück nach Ibarra, stoppten im besten Nachmittagslicht noch an dem Äquatordenkmal, ließen uns von dem Guide einiges Interessantes über Diesen erklären und erreichten spät abends die Finca Sommerwind. Hier war erst noch mal ein Tag Pause angedacht, um alles zu reisefertig zu verstauen und um uns auf den Grenzübertritt nach Kolumbien vorzubereiten. Bea und Helmut hatten aber noch zu viel zu tun, der Tag reichte ihnen nicht, so beschlossen wir, das Alexa und ich schon mal vorausfahren, damit sie nicht zu viel Zeit ihrer 3 Wochen verliert. Helmut und Bea würden dann einen Tag später direkt nachkommen.
Wir brechen früh auf, wollen uns noch den Friedhof von Tulcan anschauen. Der ist gar nicht klein und alle Hecken und Sträucher sind in Figuren geschnitten. Hab ja schon ein paar Friedhöfe besucht in Südamerika, aber etwas Vergleichbares hatte ich bis dato noch nicht gesehen.
4 Kilometer weiter war dann die Grenze erreicht. Generell nicht kompliziert in der Abwicklung, hatte ich wieder mal das Glück das bei mir natürlich nicht alles passte. Der Beamte stellte fest, dass ich zwar einen Einreisestempel im Pass hatte, aber meine Einreise nicht im System registriert war – Rückerinnerung: Einreise über den kleinen Dschungelgrenzübergang in La Balsa, in dem kein Internet und kein PC funktionierte. - Da ist das dann wohl hängengeblieben. Nach ein bisschen zusätzlichem Papierkram konnte ich mein Prozedere fortsetzen und schließlich problemlos in Kolumbien einreisen. Erst noch schnell ein Versicherungsbüro in Ipiales aufsuchen wegen der KFZ Versicherung, das gestaltet sich hier easy und ganz anders wie daheim. In Kolumbien kann man seine Auto- oder Moped Versicherung in Supermärkten oder Tankstellen kaufen. Teilweise sogar in Restaurants.
Auffallend ist gleich ab der Grenze ist, das an den Straßen links und rechts meist bei Kreuzungen oder Ortsausgängen Dutzende schwerbewaffnete Soldaten am Straßenrand stehen. Kommt ein Fahrzeug, und sie zeigen mit dem Daumen nach oben, kann man weiterfahren, die Straße ist sicher. Erst mal ein komisches Gefühl.
Einige Kilometer nach Ipiales zweigt eine Straße ab nach Las Lajas, dort, mitten in ein Flusstal, über den Fluss, wurde eine überladene Wallfahrtskirche erbaut. Die Lage in dieser Schlucht ist genial, die Kirche ist vom Fluss bis zur Kirchturmspitze über 100 Meter hoch, teilweise kitschig hergerichtet und umgeben von dutzenden Souvenirläden. Da der Zugang etwas beschwerlich ist, wollen die Kolumbianer einen großen Parkplatz oben auf der Ebene anlegen und eine Seilbahn hinunterbauen zum Kircheneingang. Verrückt. Wir schaffen es leider nicht mehr, das ganze Innere und das Museum zu besichtigen, die nachmittägliche Zeit verrinnt und wir haben noch 140 Kilometer Fahrstrecke zurückzulegen zu unserem Übernachtungsplatz an der Laguna de la Cocha.
Es zieht sich noch ein wenig durch die 40000 Einwohner Stadt Pasto, wir kommen mitten in den Berufsverkehr, im letzten Dämmerlicht erreichen wir das Ufer des Sees. Wir fragen an der Hotelrezeption ob wir hier Campen können, kein Problem. Wir kochen und gehen schlafen, da wir in der Dunkelheit eh nichts mehr erkennen können.
Am Morgen erwachen wir mit einem Blick auf den nebelverhangenen See, der sich glücklicherweise aber bald auflöst. Die Sonne strahlt in das tiefblaue Wasser und beleuchtet die Insel, die sich dschungelüberwachsen aus dem See erhebt. Das Hotel entpuppt sich als perfekte Kopie eines Schweizer Chalets. Vor Jahrzehnten sei ein Schweizer hierher ausgewandert und hat einige hundert Meter weiter eben ein Schweizer Chalet eröffnet. Den Einheimischen hat der Baustil so gut gefallen, dass heute dutzende Gebäude am Seeufer in diesem Stil erbaut wurden. – Da fährt man durch Kolumbien und erlebt einen Anblick, der auch daheim sein könnte.
Die Isla de la Corota steht unter Naturschutz, da sich hier unberührter Dschungel erhalten konnte. Per Boot kann man übersetzen und eine kleine Wanderung auf einem abgeschlossenen Weg unternehmen. Am Ende öffnen sich die Bäume zu einer kleinen Aussichtsplattform. Der Bootsfahrer fährt uns schließlich noch eine Runde um den See und bringt uns wieder zum Hotel zurück.
Mittags fuhren wir nach Pasto zurück. Sagen wir so, wir mussten dahin weil wir keine Pesos mehr hatten. An der Grenze haben wir nicht viel gewechselt, da der Kurs schlecht war. Wir hatten am See schon Schwierigkeiten den Bootsführer zu bezahlen, der erst keine Dollar wollte, schließlich zwar doch, aber nur zu einem schlechten Tauschkurs eingewilligt hatte. Damit hatten wir nicht gerechnet. In Ecuador gab’s sowieso nur Dollar, auch in Peru war bezahlen in Dollar nie ein Problem, und dann wollen die Kolumbianer keine, nur Pesos. Wir liefen verschiedene Wechselstuben ab, enttäuschend. Offiziell bewegte sich der Kurs bei ca. 3000 Pesos für ein Dollar, die wollten hier nur maximal 2620 bezahlen – nicht sehr prickelnd. Schlussendlich wechselten wir nur 100 Dollar und zogen zum Vergleich noch etwas Geld aus dem Automaten. Was sich schlussendlich als besser und billiger für uns erwies.
Bei unserem Rundgang suchten wir ein Gitarrengeschäft, Alexa, die vor einiger Zeit mit dem Gitarre spielen angefangen hatte, wollte sich hier eine kaufen, um abends ein wenig zu spielen. In einer kleinen Eckkneipe fragten wir den Wirt, ob er wisse, wo es hier Gitarren zu kaufen gibt. Einer der Gäste bot sich schließlich an, uns direkt zu einem Gitarrenbauer zu bringen, er ging mit uns – Sind wirklich sehr nett die Kolumbianer.
Er lieferte uns schließlich in einer kleinen Werkstatt ab, in der ein alter Mann Gitarren baut und repariert. Leider hatte er keine fertig und wir hatten keine Zeit solange zu warten. Er freute sich aber so über unseren Besuch, dass er uns alles Mögliche zeigte, von halbfertigen Instrumenten bis zu Zeichnungen und Bauplänen. Nach einer Stunde verabschiedeten wir uns und fuhren nach Cachagui, das ein paar Kilometer nördlich der Stadt liegt. Hans aus Ibarra hat uns hier ein wirklich nettes Hostal empfohlen. Er hat nicht zu viel versprochen, alles da, inclusive Swimmingpool. Besser kann man die letzten Sonnenstrahlen wirklich nicht genießen. Wir treffen auf Markus, den wir auch schon in Ibarra getroffen hatten. Kurz darauf kommen auch Bea und Helmut an und wir sind wieder vereint.
Von Chachagui folgten wir der Straße weiter nach Popayan, immer wieder kommen wir durch kleine Dörfer, die Menschen transportieren alles mögliche auf ihren alten Autobussen, in den Straßen wird gebrutzelt, die Mentalität wirkt etwas Karibisch oder Afrikanisch, das liegt auch daran, das in den Dörfern große Anteile schwarzer Menschen leben - Nachkommen der früheren Sklaven. Kolumbien war früher das Zentrum des Sklavenhandels in Südamerika. Wir stoppen an einem kleinen Rasthaus, wir brauchen eine Kleinigkeit für den Hunger zwischendurch. Von weitem erkennen wir Chorizos, die in der Luft trocknen und Schweineschwarten, die getrocknet und im Fett ausgebacken als knusprige Snacks verkauft werden. Wir lassen uns einen gemischten Teller herrichten, damit wir alles probieren können. Die Chefin freut sich und deutet uns zu folgen. Wir fragen uns erst, wo wir denn jetzt hin sollen, die Auflösung kommt gleich an der hinteren Türe. Angeschlossen an das Restaurant sind gleich 2 Schweineställe,daneben der Schlachtraum, jeden Tag wird ein frisches Schwein geschlachtet. Ganz stolz zeigt sie uns die Ställe mit den Zuchtebern, teilweise bis zu 300 Kilo schwer, bis zu den kleinen Ferkeln.
Nach einem abendlichen Rundgang durch das Stadtzentrum von Pasto, dessen weiß getünchte Gebäude alle farbig illuminiert sind, kommen wir an einem Pizzastand vorbei. Der Hunger packt uns und statt einer kleinen Pizzaecke ordern wir gleich eine große Ganze. Die Jungs hatten Spaß mit uns.
Über eine abenteuerliche Piste setzen wir unsere Fahrt fort nach San Augustin. Obwohl es nur knapp 200 Km sind, brauchen wir den vollen Tag um diese Distanz zu überwinden. Die Straßenverhältnisse sind sehr schlecht, meist unbefestigt und immer wieder quälen sich riesige Sattelzüge über diese unwegsamen engen Wege. Die Bezeichnung Straße verdient das eigentlich nicht. Kurz vor San Augustin müssen wir noch eine große Militärkontrolle über uns ergehen lassen. Von 15 Soldaten umringt zu werden macht schon ein etwas mulmiges Gefühl. Sie wollen überall reinschauen, wollen wissen was das alles wert ist und der Anführer der Militärtruppe stellte andauernd ungute Fragen, die zwar nicht direkt aussprachen, das er gerne eine kleine Spende hätte, aber es andeuteten. Alexa wurde schon etwas nervös. Als nach ein paar Minuten Bea und Helmut mit ihren 2 Motorrädern auftauchten und sie mitbekamen, dass wir uns kennen, änderte sich die Stimmung schlagartig ins Positive. Na ja, Zeugen kommen halt nicht gut. Die Kontrolle klang aus mit gegenseitigen Fotos und wir durften weiterfahren.
In San Augustin und Umgebung finden sich archäologische Ausgrabungsstätten, Überreste alter Gräber, die von Steinfiguren bewacht wurden. Je größer und detailreicher bearbeitet, desto wichtiger die Person. Die Natur kommt hier auch nicht zu kurz und so boten sich allerhand Aktivitäten an. Die Mädels lasen, dass hier Reit-Touren in verschiedenen Schwierigkeitsstufen und Längen angeboten werden und wendeten sich an den Campingplatzbetreiber für Infos. Es tat sich auch tatsächlich ein englischsprachiger Guide auf, den die Mädels für den nächsten Morgen buchten.
Alexa war etwas unruhig, sie ist in ihrem ganzen Leben noch nie geritten. Der Guide sprach “alles easy, wenn du heute abends zurück bist, dann kannst du mit den texanischen Cowboys galoppieren“. Halt! Sie wollten doch eigentlich nur ein bisschen durch die Gegend traben, ganz gemütlich, ein bisschen Sightseeing machen, von Galopp war da noch keine Rede. Bea, die schon einiges an Reiterfahrung hat, war etwas nervös, ob Alexa das schafft.
Zum Schluss waren sie so beeindruckt, wie ruhig und gelassen die Pferde hier sind, die lassen sich weder durch ein hupendes Auto, noch durch einen nur in Zentimeter Abstand vorbeifahrenden LKW aus der Ruhe bringen, weder durch steiles Gelände oder tiefe Flüsse. Ganz gelassen folgen sie ihrem Weg, unbeeindruckt von allem. Bea meinte, sie hat noch nie solche Pferde erlebt und waren total begeistert.
Helmut und ich unternahmen derweilen eine Offroad-Jeep-Tour. 4 Räder sind uns doch symathischer als 4 Beine. Die Tour brachte uns vorbei an einem netten Fluss, dem Estrecho de Magdalena, einem Museum der regionalen Geschichte, der archäologischen Stätte de los Idolos und an 2 Wasserfällen, wovon der Salto de Bordones mit 250 Metern der Höchste in Kolumbien ist. Die Tour war soweit interessant und gut, nur war die Tour weder Offroad noch wäre dazu ein Jeep nötig gewesen.
Abends zurück, wollten wir grillen und irrten 2 Stunden im Ort herum um Grillkohle zu kaufen. Leider erfolglos. Standesgemäß ließen wir uns vom Markt in einer alten Pferdekutsche zum Camping zurückfahren. Der Camping-Vermieter gab uns etwas Holz und der Abend war gesichert.
Beim Grillen offenbaren uns die Mädels, das ihnen der Guide eine Spezialtour für den nächsten Tag angeboten hatte. Spezial meinte, dass uns der Guide abholen und uns zu einem Ort bringen würde, an dem Kokain hergestellt wird.
Bea und Alexa wollten uns erst gar nichts von dieser Tour erzählen. Sie stellten sich dabei die Bilder der typischen Drogen-Filme vor, Lagerhäuser voll Kokain und Geld, bewacht von zwielichtigen Gangstern mit großen Knarren. Sie wollten definitiv nicht mit.
Bei Helmut und mir war natürlich schnell das Interesse geweckt und nach kurzer Diskussion über das Für und Wider riefen wir den Guide an und verabredeten uns für den nächsten Morgen. Wenn man schon mal so eine Chance vor Augen hat, sollten wir sie auch nutzen. Noch dazu im DEM Land. Wir sollten Fotos machen dürfen, versprach er uns, nur ohne Gesichter der Männer dort.
Ein Taxi holte uns morgens ab, der Guide erzählte ihm, wir gingen reiten. Wir stiegen ein paar hundert Meter vor dem Haus aus und gingen das letzte Stück zu Fuß.
Neben Pedro, dem Besitzer der Kokainfarm erwartete uns auch noch ein Kalb-großer Hund, der – so schnell konnte ich gar nicht schauen – gleich mal an meinem Fuß sein Beinchen hob und an mich markierte. Ging ja gut los. Pedro besitzt auch einige Tausend Kaffeepflanzen und jedes Mal, wenn wir während einer Herstellungspause nach draußen traten, wurde sofort das Thema gewechselt und uns über die Kaffeeproduktion erklärt.
Wir hockten in einem kleinen Raum, der Küche. Pedro hatte die noch frisch leuchtenden Kokablätter schon vorbereitet. Allzu weit dürften die Kokainfelder nicht entfernt sein von hier.
ICH MÖCHTE EUCH DIE HERSTELLUNG VON KOKAIN DETAILLIERT SCHILDERN UND EUCH DIE BILDER DAZU UNGESCHÖNT ZEIGEN UND HOFFE, DAMIT EINE ABSCHRECKENDE WIRKUNG ZU ERZIELEN!
Als erstes bekamen wir von ihm den Auftrag, die Blätter sehr fein zu hacken. Das erledigten wir auf dem Boden kniend auf einem Plastiksack. Als Pedro endlich zufrieden war mit den gehackten Blättern, schüttete er sie in einen alten Kübel und vermengte sie mit jeweils einer Handvoll Düngemittel und einer Hand voll Zement. Dann knetete er die Masse einige Minuten durch, bis die Blätter ganz dunkel wurden und zu nässen begannen. Dann schüttet er einen halben Liter Benzin dazu und lässt das ganze 15 Minuten stehen.
Chemische Inhaltsstoffe, die in Zement und Dünger vorhanden sind, extrahieren nun die Basis für Kokain. Das Benzin hilft dabei das Ganze auszuwaschen. Früher wurde das mit Wasser gemacht, aber dafür mussten die Blätter mindestens einen Tag im Wasser einweichen.
Pablo Escobar ging das zu langsam, er wollte in immer kürzerer Zeit immer mehr Kokain herstellen. Profit ist alles. So probierten die Kokainköche alle möglichen Substanzen aus, bis sie zu der Einsicht kamen, das Benzin das beste Ergebnis brachte. Er hat diese Kokainküche übrigens in den 70er Jahren persönlich besucht und dort einige Kilo Kokain abgeholt. Pedro produziert seit Jahrzehnten Kokain, wie so viele andere Kolumbianer auch. Aber das geschieht alles unauffällig, anders als die klischeehaften Bilder der Hollywoodfilme es suggerieren.
Als Pablo Escobar seine größte Macht hatte, zog er die Einheimischen durch viele Großzügigkeiten auf seine Seite. Er baute Straßen, Schulen, ließ Lehrer ausbilden und führte als Unterrichtsfach schließlich das Herstellen von Kokain ein. Die meisten Kolumbianer, die auf den Land leben, besitzen dadurch das Wissen dazu.
Um seine Ideen und Geschäftsprinzipien durchzubringen, ließ er im Laufe seiner Jahre hunderte Richter und tausende Polizisten töten. Er soll einer der brutalsten Menschen in Lateinamerika gewesen sein. Wir haben später seine Hazienda besucht, dort wird sehr detailliert in sein Leben eingegangen.
Zurück zu unserer Produktion, nach der Wartezeit schüttet er den ganzen Mix in ein feines Tuch und wringt es bis zum Äußersten aus. Als erstes tritt das Benzin durch das Tuch, am Ende des Vorgangs finden sich ein paar Esslöffel einer dunklen Flüssigkeit im Benzin – die Kokain-Base. Dieser Vorgang würde normal 3 Mal wiederholt um auch den letzten Rest auszuwaschen. Anschließend wird Natron und Salzsäure hinzugefügt, das Ganze beginnt zu schäumen und zu kochen. Als der Schaum verschwindet, haben sich aus der dunklen Flüssigkeit dreckig-weiße Klumpen gebildet. Diese fischt Pedro mit einem Löffel aus dem Benzin und wäscht sie in einer Tasse Wasser.
Zu guter Letzt legt er die Klumpen auf eine Alufolie, faltet diese und hält sie einige Minuten vor eine Wärmelampe. Die giftigen Rückstände sollen durch das Erhitzen verdampfen. Als er die Alufolie nach einiger Zeit wieder öffnet, sind die Klumpen zu reinem weißen Pulver zerfallen - Kokain. Dies soll noch nicht ganz rein sein, es gibt noch weitere Schritte um die letzten Verunreinigungen zu beseitigen und um das Kokain für den Verkauf zu strecken, das findet aber dann meist in den Zielländern statt.
Pedro bot uns an, das Kokain zu probieren, ich befeuchtete einen Finger, tunkte ganz leicht in das Pulver und leckte ganz leicht daran, die Zunge wurde taub und der Geschmack war so abscheulich, mich schüttelt es noch heute, wenn ich daran denke. Bähhh.
Es war gut und interessant diesen Herstellungsprozess mal live zu sehen, Wahnsinn, wie schnell und mit welch einfachen Mitteln das herzustellen ist. Wahnsinn ist auch mit welchen Chemikalien hier gearbeitet wird und in welchen Mengen, Benzin, Salzsäure, Düngemittel, Zement und so weiter.
ICH KANN NUR JEDEM RATEN, DIE FINGER DAVON ZU LASSEN! NEHMT KEINE DROGEN, EGAL WAS!
WENN JEMAND DAHEIM EIN PAAR PILLEN ODER EIN BISSCHEN WEISSES PULVER KAUFT, SIEHT KEINER, WAS DA DAHINTER STECKT. Für mich war das schockierend!
Dabei ist es wie überall anders auch, die Kokabauern verdienen am wenigsten daran. Nach dem Zerfall der großen Kartelle übernahmen nach und nach die Rebellentruppen der FARC und ELN das Management der Kokainproduktion um ihre Soldaten und die Anschläge zu finanzieren. Früher kamen bis zu 80 % des weltweit gehandelten Kokains aus dem Land, heute ist der Einfluss der Rebellen stark gefallen, Friedensverhandlungen laufen. Peru hat Kolumbien in der Produktion schon längst den Rang abgelaufen.
Aus einem Kilo Coca-Blätter kann man 1 bis 2 Gramm Kokainpulver herstellen, ein Bauer verdient umgerechnet 6 Euro für ein Kilo, die 2 Gramm Koks bringen dann 19 Euro. In die Zielländer geschmuggelt bringt ein Gramm gutes Kokain 100 Euro.
Ende 2014 gab es ca. 69000 Ha Anbaufläche in Kolumbien, die Sträucher brauchen 15 Monate bis sie brauchbare Blätter entwickeln, dann kann man das erste Mal ernten. Die Sträucher müssen alle weiteren 4 Monate geerntet werden, wenn man das nicht regelmäßig macht, verliert der Strauch die Blätter und wird unbrauchbar. Gesamt wurden 2014 aus 309.000 Tonnen geernteter Blätter knapp 470 Tonnen reines Kokain produziert.
. Da der Kauf der reinen Chemikalien, die zur Herstellung benötigt werden in diesen Mengen auffällig wäre, ging man dazu über, Materialien zu verwenden, die diese Chemikalien in gewisser Konzentration enthalten. Zement (Calziumoxid, Ammoniak), Düngemittel (Azeton, Schwefelsäure) und Benzin werden überall benötigt und es fällt nicht auf, wenn man ein paar Säcke davon in die Berge transportiert. Um an Schwefelsäure zu kommen werden oft auch alte Autobatterien ausgeleert. Sehr Bedenklich!
Die Extraktion findet dann in Badewannen, großen Plastiktonnen oder in mit Plastikfolie ausgelegten Erdlöchern statt. Für die großen Mengen müssen die Rezepturen genau zusammengewogen werden. Eine Tonne Blätter zu verarbeiten dauert insgesamt 2 Tage.
Wir fahren weiter nach Norden, unser Ziel ist die Wüste Tatacoa. Immer wenn wir in einem Dorf oder einer kleinen Stadt für eine Pause stoppen, sind wir innerhalb Minuten umringt von dutzenden Einheimischen, alle sind neugierig und wollen sich unterhalten. Es ist faszinierend, da überquert man eine Grenze und die Menschen sind anders. Die Kolumbianer überraschen uns, wir wussten vorher nicht, was uns in diesem Land erwarten wird. Das Image Kolumbiens ist schlecht und wird bei uns nur auf Kokain, Rebellen, Gewalt reduziert. Hollywood trägt dazu sicher seinen Anteil bei.
Speziell die Menschen Kolumbiens überraschten uns, so nett, hilfsbereit, offen. Sie kommen offen heraus, starten selbstständig Unterhaltungen mit uns, die offensten Menschen seit Brasilien. Auch haben wir uns bisher nie Unsicher gefühlt.
– Kleine Anekdote am Rand. In einem Hostal treffen wir auf 2 junge Mexikaner, aus dem berühmt berüchtigten Tijuana. Als die ihren Eltern erzählten, das sie nach Kolumbien reise wollen, schlugen diese ihre Hände zusammen und sagten „Um Gottes willen – da wollt ihr hin? Dort ist es doch so gefährlich.“ Die konnten das gar nicht verstehen. Tijuana gilt speziell durch Hollywood und die Nachrichten als ein Hotspot des Bösen und des Drogenschmuggels. Der eine Mexikaner erzählt uns, es sei dort auch nicht unsicherer als wo anders, er arbeitet in den USA, fährt aber jeden Tag zurück über die Grenze in seine Stadt, in die Stadt in der er sich wohlfühlt.
Wir kommen runter von den Bergen, in das tiefe und flache Flusstal des Rio Magdalena, mit jedem Kilometer Fahrt wird es heißer. Nördlich von Neiva erreichen wir schließlich die Desierto de Tatacoa. Das Thermometer zeigt 44 Grad, es ist staubtrocken. Die rotgefärbte Wüstenlandschaft mit den großen Kakteen erinnert an Nordargentinien.
Wir suchen uns einen wilden Campingplatz, stellen uns hinter ein paar Kakteen. Wir freuen uns auf den Sonnenuntergang, aber im Gegensatz zu anderen Wüsten kühlt es fast nicht ab in der Nacht. Der Schlaf ist unruhig.
Am nächsten Morgen entdeckt Bea, das ihr Vorderreifen platt ist, sie hat sich abends beim Rangieren einen harten Dorn durch den Gummi gebohrt. Helmut packt ein paar Flicken aus seinem Reparaturset aus und klebt den Schlauch. „Made in West-Germany“ steht auf der Packung – hat wohl schon ein paar Jahre hinter sich. Kurz darauf ist der Reifen wieder platt. Die deutsche Qualität ist auch nicht mehr das, was sie mal war, kaum 25 Jahre alt und klebt schon nicht mehr…
Wir eiern noch ein bisschen in der Wüste umher, beschließen aber bald weiterzufahren, die Sonne knallt schon wieder unbarmherzig vom Himmel und minütlich klettert die Temperatur näher ans Backofenklima.
Nach einer Mautstation werde ich wieder mal von der Polizei herausgezogen und muss wieder eine Kontrolle über mich ergehen lassen, ein paar Meter weiter parken auch Bea und Helmut, der Vorderreifen ist schon wieder platt. Nicht unser Tag heute. Helmut müht sich wieder ab mit Flickzeug. Nebenbei, ein paar Meter weiter, beobachten wir einen Kolumbianer, der seinen Müll am Straßenrand entsorgt. Das sehen wir leider immer wieder, auch die Kolumbianer sind noch nicht sensibilisiert auf dieses Thema.
Nach einem weiteren langen Fahrtag erreichen wir Ibague und finden etwas außerhalb ein nettes Hostal. Raul, der Chef, erlaubt uns hier zu Campen und wir erfrischen uns nach einem heißen und anstrengenden Tag im kühlen Pool.
Zwischen Ibague und Armenia erwartet uns eine der verkehrsreichsten Passstraßen in Südamerika, die berüchtigte Linea 5. Früher war die Straße bekannt für die „Balineros“. Das bedeutet Kugellager. Junge Männer bastelten sich so eine Art Seifenkisten, kleine Wagen aus Holzbrettern, statt Reifen verwendeten sie Kugellager. Sie ließen sich von den Trucks nach oben ziehen und sausten mit ihren Kisten dann die Passstraße hinunter. Wenn ein LKW Fahrer Probleme hatte, stoppten sie um für kleines Taschengeld zu helfen. Die heutige Lastwagentechnik ist zu kompliziert, die Balineros sind mittlerweile aus dem Straßenbild verschwunden. Die jungen Burschen verdienen sich ihr Geld heute mit dem Waschen der riesigen LKW´s amerikanischer Herkunft und sie regeln für ein Trinkgeld den Verkehr in den zahlreichen engen Serpentinen. Die sind so eng, das 2 entgegenkommende LKW`s nicht aneinander vorbeikommen.
Der Verkehr über diesen 3200 Meter hohen Pass ist ein nie endender Strom Lastwagen, die Ware zwischen der Küste und den Großstätten hin und her fahren, Es gibt kaum Lücken, jeder Fahrer fährt wie der Teufel – ich denke sie glauben an ein nächstes Leben – denn hoch kann die Lebenserwartung bei dieser Fahrweise nicht sein, Rücksichtslos wird gedrängelt, überholt. Ob eine Kurve kommt oder nicht, im Minutentakt können wir zuschauen, wie diese waghalsigen Überholmanöver oft in der letzten Zehntel-Sekunde mit Glück beendet werden. Überholen in Kurven ist Standard, um keine dieser Kurven gibt es Sicht. Ich werde einmal von einem rücksichtslosen LKW-Fahrer abgedrängt und komme vor einer Kurve auf der Gegenverkehrsspur zum Stehen. Ich muss 3 Sekunden warten, bis der Truck vorbei ist und ich wieder einscheren kann. Gott sei Dank waren die paar Sekunden ohne Gegenverkehr. Zwischen den Trucks schlängeln sich die Motorradfahrer, überholen links und rechts. Ein regelmäßiger Blick in alle Rückspiegel sei angeraten.
Wir brauchen 4 Stunden für die knapp 100 Kilometer über den Pass, bis wir Armenia erreichen.
Wir lasen im Reiseführer, in Armenia gibt es einen Naturpark mit einem riesigen Schmetterlingshaus. Las sich interessant und da wollten wir hin. Leider trudeln wir erst am späten Nachmittag dort ein und alle Vögel und die Schmetterlinge halten Siesta. Und der Guide war richtig demotiviert. Generell, wenn man solche Örtlichkeiten schon besucht hat, kann man sich das hier von Preis Leistung her sparen.
Kurz vor Salento stoppte mich wieder mal die Polizei, totale Kontrolle, der hat nichts ausgelassen. Wollten mich sogar wegen fehlender technischer Inspektion drankriegen. Nachdem ich ihm erfolgreich erklären konnte, das temporäre Besucher keinen kolumbianischen TÜV brauchen, bekam er mich schlussendlich trotzdem dran, weil mein Feuerlöscher seit 4 Jahren abgelaufen war und außerdem laut hiesigem Recht viel zu klein sei. 150000 Pesos sei die offizielle Strafe erklärte er mir und ich müsse deshalb nach Armenia zurück fahren – Nicht lustig um 6 Uhr Abends.
Wie meist in Südamerika konnte ich das aber schlussendlich auch inoffiziell regeln, mit 30000 in seine eigene Tasche (10 Dollar). Geld und auch viel Zeit gespart.
Am nächsten Tag habe ich die Feuerwehr in Salento besucht und mir einen neuen, größeren Feuerlöscher gekauft. Hat erstens kaum mehr gekostet als das „Trinkgeld“ für den Polizisten und zweitens schadet es für den Ernstfall auch nicht wirklich.
Nach einer, ein wenig nervenaufreibenden Herbergssuche in Salento sind wir in einem netten Hostal ein bisschen außerhalb des Ortes, idyllisch auf einem Bergrücken gelegen, fündig geworden.
Idealer Ausgangspunkt um eine Kaffee-Tour zu machen. Salento und die umliegende Provinz gelten als das Herzstück des kolumbianischen Kaffee-Anbaus.
Ich bin zwar kein Kaffee-Trinker, aber mehr über die Kaffee-Herstellung zu erfahren, ist auch für das berufliche Interesse lehrreich. Wir wandern 2 Kilometer zu Fuß zu einer Kaffeeplantage. In einer wunderschönen Hazienda empfängt uns Jorge, unser englischsprachiger Guide.
Zuerst bekommen wir via einer Schautafel generelle Information zu den Pflanzen und der Ernte, dann spazieren wir durch die Felder und müssen rote, reife Kaffeefrüchte ernten. Gar nicht so einfach in der Nebensaison. Mit magerer Ausbeute kommen wir zurück.
Hier in Kolumbien wird hauptsächlich die Arabica Pflanze angebaut, aber auch Hybridpflanzen, also Kreuzungen mit resistenteren Sorten, da die Kaffeebauern in Kolumbien mit 2 Schädlingen zu kämpfen haben. Einem Parasiten, der die Blätter angreift(ROYA) und einem, der die Früchte direkt angreift (BROCA).
Kaffeepflanzen brauchen Schatten, deshalb werden große Bäume oder Bananen-Palmen dazwischen gepflanzt.
Aufgezogen werden die Pflanzen, in dem die Kerne gekeimt werden, die kleinen Pflänzchen wachsen dann in Plastiksäcken heran, bis sie 40 cm groß sind. In diesem Level werden sie auf die Felder in einem Raster von 1 mal 2 Metern ausgesetzt. Die Pflanze wird bis zu 3 Meter hoch, liefert maximal 5 Jahre Ertrag, wobei das 3. Jahr das Beste und das 5. Jahr das Schlechteste ist.
Danach werden sie radikal bis zum Stamm zurückgeschnitten und die Pflanze treibt neu aus. Weitere 5 Jahre Ertrag folgen. Insgesamt wirft die Pflanze 3 Zyklen a 5 Jahre Ertrag ab, dann müssen die Pflanzen samt Wurzeln ausgegraben werden und durch neue ersetzt werden.
2 Mal im Jahr haben die Kaffeepflanzen Hauptsaison (April, Mai und Sept., Oktober), dann sind alle Früchte rot und reif und müssen mit mühevoller Handarbeit geerntet werden. Generell können die Pflanzen ganzjährig blühen und Früchte ausbilden, somit gehen auch in den Zwischensaisonen immer wieder Pflücker durch die Felder.
Einige Tage nach der Blüte beginnen die Früchte zu wachsen. Erst grün, wechselt sich die Farbe via Gelb in Rot und können dann geerntet werden. Wir probieren die Früchte, zwischen der ledernen Haut und der harten Kaffeebohne liegt ein süßlich schmeckendes Fruchtfleisch. Schmeckt gar nicht schlecht.
Mit unserer kargen Ernte marschieren wir zurück zum Haus, wo uns an einer alten kleinen Presse demonstriert wird, wie man Haut und Bohne trennt. Viele Kaffeebauern besitzen auch Schweine, da das abgetrennte Fruchtfleisch-Schalengemisch sich hervorragend als Futter eignet.
Die Bohnen werden nach der Trennung mehrfach in großen, gefliesten Becken gewaschen und anschließend auf Gittern in einen Plastik-Treibhaus getrocknet. Im Inneren dieser Treibhäuser herrscht tagsüber eine Temperatur von über 50 Grad. Innerhalb von mehreren Tagen verliert die Bohne 40 % ihres Gewichtes. Über eine Art Rebel-Maschine wird im nächsten Schritt die Schale der Bohne, die sich durch den Trockenvorgang schon leicht gelöst hat, abgerebelt und diese Schalteile per Ventilator weggeblasen. Die schwereren Bohnen fallen nach Unten. Dies trockenen Schalenreste eignen sich hervorragend zum Feuer machen und zum Heizen.
Die Kaffeebohnen werden nun sortiert, in Klasse A und Klasse B. B beinhaltet Bohnen, die optisch nicht perfekt ausschauen, Bohnen die gebrochen sind.
Klasse A wird nun bei 190 Grad 12 Minuten geröstet, sie kommen leicht karamellisiert in mittelbrauner Farbe aus dem Ofen. Klasse B wird bei 215 Grad 16 Minuten geröstet, sie kommen dunkelbraun aus dem Ofen, mit diesem rassen, bitteren Geschmack, den wir daheim vom Kaffee her kennen. Die Kolumbianer trinken den Kaffee sehr mild.
Bei uns wird Kaffee oft als extra geröstet angepriesen, der Kaffee schmeckt sehr intensiv und – für mich- sehr bitter. Der Kolumbianer sagt dazu verbrannt, schlechte Qualität. Der Kaffee hier ist ganz anders als bei uns daheim. Ich muss dazu mal einen heimischen Barista befragen, nach welchen Kriterien bei uns genau die Qualität des Kaffees bewertet wird.
Nach dem Trocknungsvorgang (bei dem viele Bauern einen großen Ernteanteil verlieren, da sich bei feuchtem Wetter die Trocknungsdauer verlängert und das Risiko von Schimmelbefall steigt), kommen wir schließlich in die Kaffee-Kochstube. Unser Guide lässt uns die gerösteten Bohnen mahlen, brüht sie mit auf 92 Grad erhitztem Wasser auf und wir probieren die verschiedenen Röststufen. Wir riechen zuerst an den ganzen, dann an den gemahlenen Bohnen, schließlich probieren wir die verschiedenen Röststufen in aufgebrühtem Kaffee.
El Ocaso, so der Name der Kaffeefarm, hatte in den letzten Jahren mehrfach hohe Qualitätsauszeichnungen erhalten und wird in der Liste der 7 besten Kaffeeproduzenten Kolumbiens geführt.
Am nächsten Morgen hatte Helmut Geburtstag, nochmals alles Gute, und wir verbrachten den Tag im Ort. Der Ort hat Charme, die bunten Häuser wirken einladend, das Leben verläuft träge. In den Eckkneipen hängen ein paar Männer herum und trinken Bier, ein paar Musiker zupfen die Gitarrensaiten und singen über Liebe, Herzschmerz und das Leben. Wenn hier statt der modernen Autos mehr alte amerikanische Straßenkreuzer vor den bunten Häusern stehen würden, könnte ich mir vorstellen, so könnte es auf Kuba sein.
Wir verbringen schlussendlich mehrere Tage in diesem wunderbaren Ort, besuchen auch das nahegelegene Valle de Cocora, das bekannt ist für seine bis zu 60 Meter hohen Palmen. Leider suchen wir uns für diesen Besuch ausgerechnet einen Sonntag aus und alles ist überfüllt mit Menschen. Es geht zu wie am Stachus und auf den Wegen mussten wir schlicht weg aufpassen um nicht unter die Räder der Jeeps oder der Hufe der Sonntagsreiter zu kommen. Schnell fahren wir wieder zurück in den Ort und lassen den Tag mit einem leckeren Fischgericht ausklingen.
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