Bolivien Teil 2, Von La Paz via Corroico in die Yungas,
anschließend via Lago Tititaca nach Arequipa in Peru
Fortsetzung Reisebericht in Peru:
30 Km von Puno befinden sich die Grabtürme von Sillustani. In wunderschöner Landschaft herrlich gelegen über den glitzernden Wassern des Umayo Sees, stehen 9 Chulpas – so werden die Begräbnistürme in Aymara genannt – von den Collas und weiter 26 von den Inkas. Die Steine sorgfältig bearbeitet, erbaut um ca. 1200 nach Christus. Diese Halbinsel war für die Kultur der Collas heilig und sie begruben in diesen Türmen die Leichen bedeutender Männer. Dazu wurden zur Beerdigung Lamas verbrannt, Frauen, Kinder und Diener getötet, damit sie ihren Herren im Tode zu Diensten sein konnten. Einige dieser Personen wurden lebend mit dem Toten eingemauert. In einem kleinen Museum hinter dem Parkplatz kann man einige Mumien und Fundstücke besichtigen.
Als ich zum Parkplatz zurückkam, stand ein weißer Defender neben mir, Jack und Christiane aus Frankreich. Nach ein paar Stunden Plauderei hieß es dann Aufbruch nach Arequipa.
Interessantes Detail in dieser Gegend sind auch die fast festungsähnlich aufgebauten Bauernhöfe dieser Gegend.
Wenn ich gewusst hätte, was mich auf der Strecke nach Arequipa erwartet, wäre ich noch eine weitere Nacht in Sillustani geblieben und hätte anschließend einen ganzen Tag für die Strecke gehabt. Ich habe mich um halb 2 verabschiedet und dachte die knapp 300 km auf Asphalt ist doch kein Problem. Bin gleich da. Denkste. Erst habe ich die Umfahrung für Juliaca verpasst und musste mich im dichtesten Verkehr durch die Innenstadt kämpfen, umgeben von dreirädrigen Tuktuks, Mopeds, Fußgängern, Verkäufern, durch Sonnenschirme und Vordächern sehr engen Gassen. Das war bisher das stressigste Verkehrserlebnis das ich in Südamerika bisher hatte. Hat mich 2 Stunden gekostet. Dann noch eine Lebensmittelkontrolle, auf der mir einige gerade gekaufte Früchte wieder abgenommen wurden. Die Küste in Südperu ist frei von der Fruchtfliege. Damit das so bleibt, wird streng kontrolliert. Nur wissen sollte man das. Pech. Die letzten 100 Km, meist bergab von 4200 m auf 2300 m musste ich in dichtestem Nebel, Sichtweite teilweise unter 20 m, zurücklegen, dazu starker Regen und dann die einbrechende Dunkelheit. Schritttempo, nur nach den Rücklichtern des Vordermanns orientiert und dabei so wenig Abstand wie möglich, damit ich die Lichter nicht aus den Augen verliere. Der Hintermann tut es mir gleich und ich habe nur seine Scheinwerfer im Nacken. Ja kein plötzliches Bremsen, sonst sitzt er dir im Kofferraum. Ohne Sicht nach links und rechts kann ich auch keinen Übernachtungsplatz ausmachen. Es bleibt nur weiterfahren. So kämpfe ich mich mit Müdigkeit und schweren Augen die unzähligen Kurven nach unten. Um halb 10 Uhr abends erreiche ich schließlich das Hotel Mercedes in der Innenstadt. Ich mache nur noch mein Bett und schlafe total K.o. ein.
Die nächsten Tage verbringe ich mit Sightseeing des Stadtzentrums, das UNESCO Welterbe ist. Arequipa ist die 2. größte Stadt Perus, zugleich größte und wichtigste Stadt des Südens mit fast 900000 Einwohnern. Dabei wirkt die Stadt gar nicht so wie eine Metropole. Eher gemütlich. Und so starte ich auch meine Runde. Wie in vielen Städten ist die Plaza der wichtigste Ort. Wie überall steht auch hier die Kathedrale, das besondere hier ist, das die Kathedrale die gesamte Nordseite der Plaza einnimmt. Die Front hat 70 Fasadensäulen und 3 Portale. Die Kathedrale ist bei Erdbeben mehrfach stark beschädigt worden, aber immer wieder aufgebaut. Innen beherbergt sie einen schönen Altar, veredelt mit Marmor aus dem italienischen Carrara. Aus Frankreich wurde die schöne Kanzel verschifft, als einzige in einer Kirche mit einem Abbild des Teufels. Dazu eine Orgel aus Belgien, die die größte in Südamerika ist. Diese Kathedrale ist eine von 100 weltweit, die berechtigt ist, die Flagge des Vatikan zu hissen.
Die Plaza ist an 3 Seiten von schönen, 2 stöckigen Säulengängen eingerahmt, ist grün bepflanzt und zahlreiche Bänke laden zum Verweilen ein. An der südlichen Ecke präsentiert sich die Iglesia La Compania de Jesus, ebenfalls mit schönem Innenleben und einem herausragenden Portal. Die Fertigstellung dieser aufwendigen Kirche dauerte 100 Jahre und hat bisher alle Erdbeben unbeschadet überstanden. Gleich daneben befindet sich der Eingang zur Claustro Jesuita, dem zur Kirche gehörenden ehemaligen Kloster. Dessen renovierter Kreuzgang aus Sillar sehenswert ist.
Rundherum viele Restaurants und Cafés. Eine Fußgängerzone lädt zum Bummeln ein, viele alte Häuser, teilweise mit Balkonen und schönen Innenhöfen.
Am nächsten Tag steht der Besuch der Kathedrale auf dem Programm, als geführte Tour mit Erklärungen und Aufstieg in den Kirchturm. Hier dürfen wir die Glocken besichtigen. Die größte ist 5 Tonnen schwer und wird im normalen Alltag nicht mehr geläutet. Von hier bietet sich auch ein grandioser Blick über die Plaza. In der Kathedrale befindet sich auch ein Museum mit herausragenden kirchlichen und religiösen Schätzen und Reliquien, hier darf aber nicht fotografiert werden. Reich verzierte Kardinalsgewänder, eine goldene Monstranz, mit unzähligen Diamanten besetzt, riesige und mehrere Kilogramm schwere Reliquien aus purem Silber und Gold, besetzt mit Saphieren, Diamanten und Edelsteinen von unschätzbarem Wert.
Einen Tag verbringe ich mit neuen Bekannten aus den USA, die neben mir im Hotel stehen, dazwischen stehen immer wieder mal kleinere Arbeiten an, wie das Reparieren von Schuhen mit Sikaflex und auch kochen muss ich wieder einmal. Heute steht Gulasch auf dem Programm, aber nicht mit Rind- sondern mit Alpaka-Fleisch. Abends brechen wir nochmal auf in ein nettes Grillrestaurant und lassen es uns schmecken.
Fast einen ganzen Tag verbringe ich im Kloster Santa Catalina. 1559 wurde in Arequipa ein Kloster für Frauen gebaut. Bis 1970 lebten hier bis zu 150 Nonnen mit 400 Dienstmädchen. Da im letzten Jahrhundert die Nonnen immer weniger wurden, 1970 schlussendlich nur mehr 17 Nonnen verblieben, wurde das Kloster für die Öffentlichkeit geöffnet. Es war eine Stadt in der Stadt, über 20500 m2 groß, mit kleinen Gassen, Plätzen mit Brunnen, Kreuzgängen, Küchen, Speisesälen, Wohn und Arbeitsräumen etc… Ein Teil davon wurde in ein Museum umgewandelt, in dem religiöse Reliquien und alte Gemälde zu sehen sind. Interessant ist auch der Waschplatz mit 20 alten halben Tongefäßen. Weiterst gibt es kleine Gärten und ein Waschhaus. Gebaut in maurischer Architektur mit tollen farblichen Kontrasten in Rot und Blau mit vielen Nischen Ecken und Durchgängen ist es ein Paradies für Fotografen. Die Details zur Anlage findet ihr HIER, ich kann das alles nicht im Detail beschreiben, es würde den Rahmen sprengen.
Abschließend habe ich noch die Kirche San Francisco und das dortige Museum besucht, aber nach dem Kloster konnte mich das nicht mehr vom Hocker reißen.
Nach 5 Tagen schlechten Wetters schein heute endlich die Sonne und die umliegenden Hausberge der Stadt sind zu sehen. Die wichtigsten sind der Vulcan Misti mit 5821 m etwas kleiner als der danebenliegende Nevado Chachani mit 6075 m.
Ich begebe mich auf die andere Fluss Seite um das letzte Highlight der Stadt zu besichtigen, die Kirche und Kloster La Recoleta mit angeschlossenem Museum und Bücherei. Ein Juwel der Stadt. Die Kirche wirkt schön in ihrer roten Farbe, das Kloster ist ebenfalls mit kleinen Innenhöfen und Kreuzgängen aufgebaut. In dem Museum befindet sich eine Sammlung von ausgestopften Tieren aus dem Amazonasgebiet. Im ersten Stock befindet sich eine Bücherei die ca. 20000 bis zu 400 Jahre alte Bücher umfasst. Daneben entdecke ich ein Raum in dem kreuz und quer Bücher liegen und fleißig gearbeitet wird. Ich frage ob ich eintreten darf und was hier gemacht wird.
Eine ältere nette Dame stellt sich als Bibliothekarin vor. Sie und ihr Mann stammen aus den USA und arbeiten hier an der Katalogisierung der alten Bücher. 3500 Bücher müssen noch erfasst und katalogisiert werden, Sie erzählt mir von dem gigantischen Aufwand, den die Spanier früher betrieben haben um zehntausende Bücher hierherzutransportieren. Vor den Spaniern gab es hier keinen Buchdruck. Den Spaniern war es recht, da sie es so viel einfacher hatten, hier quasi ihren neuen spanischen Staat aufzubauen. Ohne regionale Schriften gab es keine „Konkurrenz“ anderen Wissens. Viele Bücher enthalten lateinische Übersetzungen, spanische und römische Gesetzestexte. Viele dieser Bücher sind fast neuwertig, da sie fast nie verwendet wurden. Es hat keinen interessiert.
Generell war die Papierqualität um diese Zeit sehr hoch, Das Papier hatte hohen Anteil an Leinen und Baumwolle. Hier in Arequipa herrscht fast das ganze Jahr über konstantes Klima, sehr trocken, wenig Luftfeuchtigkeit und die Höhe um 2500 m enthält wenige Schimmelbakterien. Gute Voraussetzungen für die Bücher. Es gibt aber auch viele Bücher die sich in einem schlechten Zustand befinden. Bücher die von den Padres häufig genutzt wurden. Große, schwere Lexikons zb, teilweise sehr aufwendig hergestellt, Übersetzungen in 8 Sprachen darunter in Griechisch, Latein, Alt-Deutsch, Hebräisch und mehr. Die Bibliothekarin erklärt mir wie aufwendig die Produktion damals war, die Zeilen sind sehr klein und jede dieser Sprachen hat ihre eigene Schriftform und eigene Buchstaben und Zeichen die es nur in ihrer Sprache gibt. Für den Setzer war das sehr aufwendig, so Zeile für Zeile in den unterschiedlichen Zeichen zu setzen. Bis zu 3 Tage wurden für eine Seite benötigt. Solche Bücher hatten oft über 1000 Seiten, da kann man sich den Aufwand ausrechnen. Von so einem Buch wurden dann nur einige hundert Exemplare hergestellt. Und einige landeten dann hier in Arequipa. Mit Holzeinband, teilweise 15 Kg schwer. Sie zeigt mir auch ihr Lieblingsbuch, eine Übersetzung Quechua in Spanisch. Alt, zerfleddert, außen fast schwarz von den Fingerabdrücken. Von diesem Buch gibt es nur noch ein weiteres Exemplar weltweit. Ich darf diese Bücher in die Hand nehmen, darin blättern, das Papier befühlen. Es ist das erste Mal, dass ich ein über 400 Jahre altes Buch in der Hand halte, normal sieht man solche Bücher nur hinter Glas in einem Museum. Ein eigenartiges Gefühl. Ehrfürchtig. Man hat Geschichte in den Händen.
Abends spaziere ich nochmal in die Stadt, ich möchte noch eine Hand voll Nachtfotos machen.
An der Plaza laufe ich dann mitten in eine Osterprozession. An allen 4 Seiten der Plaza sind Stationen errichtet, so eine Art Kreuzweg. Hier werden verschiedene Szenen aus dem Leben Jesu dargestellt. Dutzende Priester schreiten langsam von Station zu Station, beten und singen, gefolgt von einer riesigen Anzahl von Menschen. Über 2 Stunden dauert der Umzug. Hier in Südamerika ist Ostern eines der wichtigsten katholischen Feste, viel wichtiger als Weihnachten habe ich das Gefühl. 2 Wochen vor Ostern schon beginnen diverse Prozessionen und Messen, steigern sich von Tag zu Tag. Nächste Woche zu Ostern werde ich in Cusco sein. Ich bin schon sehr gespannt, was mich dort erwartet.
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